rhiannons traditionelles Gesicht

Geschichtlicher Hintergrund:

Über Jahrhunderte hinweg waren fahrende Spielleute (aller Gesellschaftsschichten) Bewahrer traditionellen Liedguts und treibende Kraft seiner Weiterentwicklung gleichermaßen. Ergebnis ihrer weiten Reisen waren oftmals die Verschmelzung verschiedenster Stile, das Integrieren des Fremden, Unbekannten in die eigene "Geschichte" sowie das freie Entwickeln und Improvisieren. Frei von höfischen und/oder gesellschaftlichen Zwängen und "wissenschaftlicher" Genauigkeit entstand die Berufsgruppe des "Volksmusikanten", der seinen Lebensunterhalt durch unterhaltende Beschallungstätigkeit bei unterschiedlichsten Anlässen bestritt.

Wahre Virtuosen ihrer Zunft oder derbe Stümper - die wenigen Aufzeichnungen über das Leben historischer Spielleute berichten diesbezüglich von einer vielschichtigen Bandbreite.

Als noch weniger beachtenswert erschien zeitgenössischen Chronisten jedoch das konkrete Wirken und Schaffen des "Volksmusikanten", was dazu führte, dass über die Volksmusik des Mittelalters bzw. der Renaissance nur vage Aussagen getroffen werden können. Wohl kennen wir die zur besagten Zeit verwendeten Instrumente. Wie und was genau darauf musiziert wurde entzieht sich aber spätestens dann unserer Kenntnis, wenn wir uns vom höfischen oder kirchlichen Kontext abwenden und unseren Blick auf Marktplätze, in Wirtshäuser, etc. schweifen lassen.

Diesem, auf den ersten Blick doch recht ernüchternden Umstand, verdanken wir als "moderne Spielleute" nun die große Freiheit, mit der wir der Nachempfindung des faszinierenden Spielmannstums entgegentreten dürfen.

Musiktheoretisches

Viele im Zuge des Mittelalters (weiter-)entwickelte Musikinstrumente weisen ein Charakteristikum auf, das noch heute in der Lage ist zu verzaubern und zu berühren: den Bordun.

Ein oder mehrere Borduntöne klingen dabei als gleichbleibender Dauerton zu einer Hauptmelodie. Sie bilden dabei das klangliche "Bett" und dürfen wohl als eine sehr frühe und einfache Form der Mehrstimmigkeit bezeichnet werden. Dudelsäcke und Drehleiern sind dabei die bekanntesten Vertreter dieses ungebrochen faszinierenden musikalischen Phänomens.

Das Gebundensein einer Melodie an den Bordun beschränkt einerseits auf ein recht enges tonales Schema, bei dessen Durchbrechung mit verstörten Blicken und aufgerollten Zehennägeln zu rechnen ist. Andererseits bietet genau diese Beschränktheit große Freiheiten in Interpretation, Verzierung und Improvisation, was wohl auch unseren Kollegen früherer Jahrhunderte ein Leuchten in die Äuglein gezaubert haben mag.

Sieht sich nun der bordunbegeisterte Musikant im traditionellen Musikschatz verschiedenster Länder um, die oben erwähnte Instrumente im Zuge ihrer weiteren Geschichte nicht auf die Liste bedrohter Arten gesetzt haben, wird er reichlich belohnt und über die Maßen fündig.

Nämlich überall dort, wo vermeintlich sture Hinterwäldler am Althergebrachten festhielten und dem Zeitgeist mitunter wenig abgewinnen konnten - zum Glück.

Italien, Frankreich, Spanien, Schweden,...seien hier nur als Beispiele für Länder genannt, in denen die Tradition der Bordunmusik immer noch rege gepflegt wird. So bildet also die wirkliche Volksmusik besagter Landstriche vor allem dann das Fundament unseres Tuns, wenn wir einerseits auf keine heimischen Quellen zurückgreifen können (weil nicht existent und/oder stark verfälscht) und andererseits nicht zu sehr in höfische Musik abgleiten wollen. So einfach ist das!

Und der Rest wird einfach selbst komponiert...

Was bedeutet "rhiannon" und warum der "Nasenbär"

Dem aufmerksamen Beobachter wird es nicht entgangen sein, dass unsere Kapelle seit bestehen von einem abstrakt anmutenden Tierköpfchen begleitet wird. Unter die bisher kreativsten Deutungsversuche unseres Begleiters fallen mit Sicherheit Nasenbär, Mumin und Nilpferd - mitnichten sagen wir da!

In Wahrheit handelt es sich um die Darstellung eines Pferdekopfes aus der La Tène-Zeit, der uns schon vor langer Zeit in seinen Bann gezogen hat. Abstrakt und doch so greifbar, einfach und doch von einer Ausdrucksstärke, die erahnen lässt, über welch außerordentliches kreatives Potential die Künstler besagter Zeit verfügten.

Das Originalfundstück stammt aus Yorkshire, ist aus Bronze und nur wenige cm groß. Gefertigt wurde das gute Stück im 1. Jahrhundert v. Chr. und diente damals wahrscheinlich als Streitwagenbeschlag für das Gefährt eines keltischen Kriegers.

Wo liegt aber jetzt die Verbindung zu unserem wohlklingenden Namen "rhiannon"? Die Schilderung selbiger gestaltet sich etwas kompliziert, aber wir hoffen, der interessierte Leser kann diesen, unseren Ausführungen folgen.

In Fachkreisen wird darüber spekuliert, ob der gefundene Pferdekopf nebst Zierfunktion auch eine Abbildung der Pferdegöttin "Epona" sein könnte. Jene Epona ist das vor allem im gallischen Bereich (also dem ehemals "keltischen" Festland) existierende Pendant zur walisischen Göttin und Sagengestalt "Rhiannon." Hier ein kurzes Zitat aus Wikipedia:

Mit Rhiannon verbindet sie (Epona) jedoch sowohl ihr Auftreten als Reiterin eines weißen Pferdes als auch der Titel "Regina" der ihr in zahlreichen Inschriften beigegeben wird und der sprachlich mit dem Namen Rhiannon verwandt ist.

Es liegt also nahe, die gute Rhiannon als eine Art Pferdegöttin zu betrachten - aber wie das mit "keltischer" (man verzeihe den eigentlich nicht legitimen Oberbegriff) Mythologie so ist, weiß man kaum etwas über die Glaubenswelt der eisenzeitlichen Kulturen, denn das was in walisischen oder irischen Sagen des Frühmittelalters überliefert wurde lässt kaum mehr Rückschlüsse auf die tatsächliche Glaubenswelt der schriftlosen "keltischen" Kultur zu.

Aus dem Reich der Spekulation kommt folgende Interpretation die recht plausibel klingt:

Die keltische Muttergöttin teilt sich in drei Teile (so wie auch der christliche Gott das nun tut - welch Wunder!) und bietet ein Erklärungsmodell für den Kreislauf des Lebens

Das Kind - Symbol für den Beginn des Lebens

Die junge Frau - Symbol für das Lebensspendende - also die Gebärende

Die alte Frau - Symbolisiert das Ende des Lebens - die Todbringende und Mittlerin zwischen Dies- und Jenseits

Vor allem die letzten beiden Erscheinungsformen begegnen uns noch heute in Sagen, Mythen und Märchen. Haben wir auf der einen Seite die schöne Prinzessin, stattet uns andererseits die Alte aus der Zwischenwelt (die böse Hexe, Frau Holle, die Perchtl,..) so manchen Besuch ab.

Nun gibt es Vermutungen wonach den Part der jungen Frau die Gestalt der Rhiannon/Epona innehatte, oft als Reiterin oder in Pferdegestalt dargestellt, da das Pferd in der keltischen Kultur höchstes Ansehen genoss und gleichzeitig als Fruchtbarkeitssymbol galt. Dieses Attribut des Lebensspendens, also Hervorbringen bezog sich nicht nur auf den biologischen Aspekt, sondern wohl auch auf alles kreative Schaffen.

Und genau an dieser Stelle trafen wir uns also mit dem Namen der Guten, da diese Symbolik in höchstem Maße unseren Bestrebungen entspricht. Praktischer Nebenaspekt ist die Tatsache, dass (will man einigen Büchern glauben) die Figur der Rhiannon zur Zeit des frühen Mittelalters im ehemals inselkeltischen Raum als "Patronin" der Gaukler und Spielleute tätig war.

Mit Musik des Mittelalters hat also Rhiannon gar nix zu schaffen, is uns aber wurscht, weil's gut klingt und zudem eine hübsche Bedeutung hat.